Carbon Cleanup
Das Linzer Start-up entwickelt ein mobiles Recyclingsystem für Industrieabfälle aus Kohlenstofffasern. Der gefährliche Ausschuss wird aufbereitet und als Faserverstärkung für neue Kunststoffteile wiederverwendet.
aws Seedfinancing | 2023 | Deep Tech | GreenTech | Oberösterreich
Sie werden für die Innenverkleidung von Flugzeugen gebraucht, für viele Teile von Premiumfahrzeugen und für zahllose Sportgeräte: Kohlefaserverbundstoffe. Verbundstoffe werden wegen ihrer speziellen Eigenschaften dort eingesetzt, wo hohe Widerstandskraft, geringes Gewicht und lange Korrosionsbeständigkeit gefragt sind. Die Robustheit des Materials führt allerdings auch zu Nachteilen: Das Recycling der Carbonfaserstoffe ist schwierig und teuer. Die Fasern sind lungengängig wie Asbest, das Harz, in das die Kohlefasern eingebettet werden, gilt als karzinogen und genverändernd. Carbonfasern sind in vielen Staaten als gefährlicher Abfall eingestuft und müssen als Sondermüll deponiert werden. Das Entsorgungsproblem trifft vor allem Hersteller: In dem vielschichtigen Fertigungsverfahren eines Verbundstoffes fallen bis zu 30 % Ausschuss an, der nicht wiederverwendet werden kann. Das Start-up Carbon Cleanup will das Nachhaltigkeitsproblem des hochfesten Materials lösen: Es entwickelt ein mobiles Verfahren, das Kohlenstofffasern aufbereitet und wieder nutzbar macht.
Sortenreinheit durch KI
Das Recyclingsystem von Carbon Cleanup hat in einem gewöhnlichen Container Platz, der mit einem Lkw – mehr oder weniger – vor die Produktionshalle des Kunden gestellt wird. Jeder Betrieb kann eine individuell angepasste Cleanup Unit bekommen. Eine Piloteinheit mit einer Kapazität von 30 Jahrestonnen ist bereits im Einsatz. Durch seine Mobilität kann das System direkt vor Ort sortenreines Material liefern. Die wiedergewonnenen Carbonfasern werden als Verstärkung für neue Kunststoffteile genutzt. Das Material wird in Granulatform im Spritzguss oder im Großformat-3-D-Druck eingesetzt. Die Faserverstärkung kommt damit deutlich günstiger als bei Neuproduktion. Außerdem ist sie rund 20 % leichter als Glasfaser, die wegen ihrer ähnlichen Eigenschaften in der Auto- und Luftfahrtindustrie in vielen Bauteilen verwendet wird – und durch Carbonfaser ersetzt werden kann.
Die hohe Qualität des Rezyklats ist eines der zentralen Argumente von Carbon Cleanup. Um sie zu sichern, läuft im Hintergrund des Carbon-Cleanup-Verfahrens eine cloudbasierte KI-Software, die durch visuelle Erkennung die zugeführten Rohstoffe selektiert. Die Klassifizierung der Stoffe liefert wichtige Daten, die nach der Aufbereitung in ein Materialdatenblatt für die Kunden einfließen.
Günstiges regulatorisches Umfeld
Der CEO Jörg Radanitsch setzt mit seinen Mitgründern Kai Radanitsch, Jan Radanitsch und Christian Gorbach auf den steigenden regulatorischen Druck auf die Hersteller von Verbundstoffen: Viele Staaten haben bereits Deponieverbote für Kohlefasermaterialien erlassen. Zudem werden wohl demnächst EU-Leitlinien formuliert, damit man bis zu 30 % Rezyklate in neue Produkte bringt und so zu einer effizienteren Kreislaufwirtschaft kommt. Die Monetarisierung der Vision ist bestechend: Die Abfallkunden bezahlen zum einen für Stationierung und Betrieb der Cleanup Units. Das aufbereitete Material wird zum anderen an die Hersteller von Kunststoffteilen verkauft. Die Wegmarken sind für das Unternehmen klar: Mit der Unterstützung aus dem aws Seedfinancing sollen zwei weitere Recyclingeinheiten beschafft werden. Die beiden Anlagen werden künftig eine Jahresleistung von 100 bis 200 Tonnen haben. 2025 soll das erste Mal ein monatlicher Break-even und 2026 die Gewinnzone erreicht werden.
„Wir glauben, eine disruptive Technologie entwickelt zu haben, und sind nun durch die Mittel der aws gestärkt, um vor allem Hardware-Investitionen durchführen zu können. Auch die Kontakte der aws zu einem großen Investorennetzwerk scheinen uns wichtig und für spätere Investmentrunden zielführend. Die IP-Beratung durch die Fachleute der aws war ebenfalls von großer Bedeutung für unsere Entwicklungen.“ - Jörg Radanitsch (CEO), Christian Gorbach, Kai Radanitsch und Jan Radanitsch
Tipp: Von einer Idee ausgehend ein Unternehmen aufzubauen ist eine große Aufgabe. Aus unserer Sicht ist es sehr wichtig, resilient zu sein und mit großer Leidenschaft an seinem Ziel festzuhalten.