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Augen des Traktors blicken tief in den Boden

Schätze finden kann der Bodensensor nicht, aber er hilft dem Bauern beim Geldsparen. Vor den Traktor gespannt, sendet das wundersame Gerät elektromagnetische Wellen ins Erdreich und fängt ...

Schätze finden kann der Bodensensor nicht, aber er hilft dem Bauern beim Geldsparen. Vor den Traktor gespannt, sendet das wundersame Gerät elektromagnetische Wellen ins Erdreich und fängt sie wieder auf. Die so ermittelte elektrische Leitfähigkeit des Untergrunds gibt Auskunft über Bodenart, Verdichtung und den relativen Wassergehalt. Via GPS kartiert der "Topsoil Mapper" die Felder punktgenau, und zwar in vier verschiedenen Schichten bis zu einem Meter Tiefe. Diese Daten sind wichtig, um Dünger, Saatgut oder Diesel effizient einzusetzen. Beim Grubbern etwa, der Lockerung des Bodens, greifen die Zinken oft zu tief. Das schadet dem Erdreich und kostet bares Geld, wie Michael Pregesbauer vorrechnet: "Wenn der Landwirt mit unserer Technik die Arbeitstiefe um einen Zentimeter verringert, erspart ihm das etwa anderthalb Liter Treibstoff je Hektar."

 

Der Geophysiker Pregesbauer hat das Unternehmen Geoprospectors 2014 gemeinsam mit dem Volkswirt Matthias Nöster gegründet. Heute fungieren sie als technischer und kaufmännischer Geschäftsführer. Beide waren schon früher mit der sogenannten Geophysikalischen Prospektion beschäftigt, der Erkundung der oberen Erdkruste und des bodennahen Untergrunds.

 

Nöster arbeitete vorübergehend am Ludwig Boltzmann Institut für Virtuelle Archäologie in Wien, das - ohne zu graben - manche spektakuläre Entdeckung gemacht hat. Kürzlich halfen die Wissenschaftler beim Auffinden eines Wikingerschiffs in Norwegen. Pregesbauer war ursprünglich in der luftgestützten Exploration von Öl- und Gaslagerstätten tätig.

 

Gemeinsam mit anderen Mitstreitern kamen sie auf die Idee, ihre Kenntnisse in der Landwirtschaft einzusetzen. "Wir wollten den Boden verstehen, ohne in ihn einzugreifen", sagt Nöster. "Mit den Daten lassen sich die Erträge steigern - schonend und preiswert."

 

Ähnliche Verfahren gab es zwar schon. Aber die meisten benötigten Schlitten, die ein Fahrzeug hinter sich herzog und die den Boden berührten. Bis heute böten Dienstleister den Bauern diese Methode an, sagt Pregesbauer. Ein weiterer Nachteil sei, dass dadurch eine zusätzliche Ackerfahrt nötig werde. Hingegen könnten die Landwirte den Topsoil Mapper bei ihren normalen Arbeitsgängen einsetzen.

 

Die österreichische Erfindung, nur rund 30 Kilogramm schwer, schwebt wie ein Frontgewicht über dem Grund, ist bei jedem Wetter einsatzbereit und kommt dem Bewuchs nicht in die Quere. "Weil das Gerät den Boden nicht berührt, ist es außerdem rumpelfrei und weitgehend verschleißfrei", sagt Pregesbauer.

 

Noch etwas anderes unterscheidet den Apparat von der Konkurrenz: Er kann in Echtzeit die angehängten Landmaschinen steuern. Dazu nutzt er den in der Landtechnik üblichen Datenübertragungsstandard Isobus. Vereinfacht gesprochen, findet der Sensor am Bug des Traktors heraus, was der Boden braucht, und meldet diese Informationen an die Maschine am Heck weiter. Diese stellt sich dann automatisch auf die Erfordernisse ein. Der Grubber zum Beispiel greift flacher oder tiefer zu; die Sämaschine gibt mehr Saatgut ab oder weniger, je nachdem, ob der Boden eher tonig oder sandig ist. "Die digitale Kommunikation der Bauteile könnte man Agrartechnik 4.0 nennen", sagt Nöster. "Es geht um Präzisionslandwirtschaft."

 

Je nach Ausstattung kostet der Topsoil Mapper 25 000 bis 30 000 Euro. Rechnen tut sich der Kauf vor allem für große Betriebe oder Agrargenossenschaften, die mehrere hundert Hektar bewirtschaften. Das erklärt auch, warum Geoprospectors in der Heimat Österreich erst ein einziges Gerät abgesetzt hat, die Schläge sind hier schlichtweg zu klein.

 

Die wichtigsten Märkte sind bisher Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Amerika. Auch in Australien, Neuseeland und dem südlichen Afrika nutzen Bauern die Technik. Mit Russland und der Ukraine sind erste Geschäfte angelaufen. Dort gibt es Sonnenblumen-Farmen mit bis zu 200 000 Hektar.

 

Der allererste Kunde von Geoprospectors war ein Chinese. Er kaufte den Sensor vom Stand weg, als sich das Start-up 2015 erstmals auf der Weltleitmesse Agritechnica in Hannover präsentierte und dort die Silbermedaille für Innovationen gewann. Bis heute haben Nöster und Pregesbauer - die 45 und 40 Jahre alt sind - rund 100 ihrer Bodenradare verkauft. Der Umsatz betrug 2018 eine Million Euro. 2019 könnte das Unternehmen die Gewinnschwelle erreichen, erwartet Nöster. Dabei soll eine neue Vertriebspartnerschaft mit CNH Industrial helfen. Der Konzern, der früher Case New Holland hieß und von den Fiat-Eigentümern Agnelli kontrolliert wird, ist einer der größten Nutzfahrzeughersteller. Zu ihm gehören die Marken Iveco, Steyr und Magirus. CNH vermarktet die niederösterreichische Innovation unter dem Namen SoilXplorer exklusiv in Europa, Afrika und dem Nahen Osten. Dadurch soll sich der Absatz 2019 auf 125 Geräte mehr als verdoppeln. Zusätzlich plant Geoprospectors 30 Verkäufe im Eigenvertrieb, so dass der Umsatz auf 2,8 Millionen Euro wachsen könnte.

 

Platz zur Expansion ist da. Geoprospectors ist in einem weitläufigen Gewerbepark in Traiskirchen, 30 Kilometer südlich von Wien, untergekommen. Früher war hier der Reifenhersteller Semperit ansässig, doch musste der Standort 2009 nach mehr als hundert Jahren schließen. In einem der Gebäude unterhält Geoprospectors seine Büros, Werkstätten und eine Montage mit zehn Mitarbeitern.

 

Beim Firmenaufbau half der Austria Wirtschaftsservice AWS, die Förderbank der österreichischen Bundesregierung. Sie stellte Vorgründungshilfen ("Pre-Seeds") und Gründungshilfen ("Seeds") zur Verfügung. Das sei unerlässlich gewesen, sagt Nöster dankbar, leider reiche diese Art der Unterstützung aber nicht bis ans Ende der Marktüberleitung: "Hierfür müsste es so etwas wie ,Seed-Plus' geben."

 

In der Gründungsphase nahmen die Eigentümer einen "Business Angel" mit an Bord. Bis heute aber halten Nöster und Pregesbauer die Mehrheit an der GmbH. Sofern sie weiter gut läuft, können sie sich vorstellen, ihre Anteile irgendwann zu verkaufen. Aber erst einmal soll Geoprospectors weiter wachsen. "Der Verkauf von 200 bis 300 Geräten im Jahr sollte schon drin sein", sagt Pregesbauer.

 

CHRISTIAN GEINITZ

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